Für mich war es nun bereits das zweite Mal, dass ich meine Ferienzeit genutzt habe, um in Frankreich zu arbeiten. Wie im letzten Jahr hieß es nun am 31.August: „Auf nach Frankreich!“. Für einen Monat würde Paris wieder mein Zuhause sein. Überraschungen waren von daher nicht zu erwarten. Ich weiß, was man so alles in den Koffer packen sollte, kenne den Weg vom Flughafen zum Foyer, weiß wie die Unterkunft aussieht, wo der nächste Supermarkt ist, bei welchem Bäcker es das beste Baguette gibt, wann Markt ist, wann ich morgens aufbrechen sollte und welcher Weg der Beste ist.
Für mich war es also eine Rückkehr an einen wohlbekannten Ort. An der Arbeitsstelle hat sich nichts geändert. Das „Centre de Tri Colis-Courrier d’Outre-Mer Orly“ liegt im Frachtbereich des zweitgrößten Pariser Flughafens Orly. Dieses Verteilungszentrum ist einer der wenigen Postzugänge zu den französischen Überseedepartements. Hier werden Pakete und Briefe sortiert und für die lange Reise per Flugzeug oder Schiff verpackt. Die Umgebung des Zentrums hat sich durch die Baumaßnamen für eine neue Straßenbahnlinie im Vergleich zum letzten Jahr stark verändert und ist deutlich attraktiver geworden. Im Gebäude selbst hat sich nicht viel getan. Viele Kollegen habe ich noch vom letzten Jahr gekannt und auch umgekehrt freuten sich alle, mich wiederzusehen und haben mich neugierig über meine Erlebnisse im vergangenen Jahr befragt. Ich hatte gar nicht damit gerechnet, so in Erinnerung geblieben zu sein, aber so hatte ich auf Anhieb gleich guten Anschluss gefunden.
Einen Einführungstag wie letztes Jahr gab es diesmal freilich nicht für mich. Dennoch habe ich im Laufe der Zeit zahlreiche andere Stationen kennengelernt. Neben der altbekannten manuellen Paketsortierung habe ich dieses Jahr auch öfters in der Briefsortierung gearbeitet. Zuerst werden hier, die nach Frankreich eingehenden Briefe, auf die verschiedenen weiteren Verteilzentren aufgeteilt. Anschließend geht es dann an die Sortierung der ausgehenden Briefe für die Überseegebiete. Dabei werden die Briefe in eine große Maschine eingelegt, welche sie dann ihrer Postleitzahl entsprechend auf verschieden Fächer verteilt. Von dort müssen die Briefe manuell in Kisten gepackt werden. Manchmal schießen die Briefe unerwartet zahlreich aus den einzelnen Fächern und man muss gut aufpassen, dass kein Fach überläuft. Das kann schneller passieren, als man denkt, nämlich wenn zum Beispiel jeder Haushalt einen Brief vom Finanzamt oder der Versicherung erhält. Dann heißt es schnell die Kisten füllen, verschließen und versandfertig machen.
Mit etwas Übung und ein paar Tipps meiner stets entspannten französischen Kollegen ging das von Tag zu Tag immer besser und machte mir auch sehr viel Freude. Insgesamt hat es mir dieses Jahr sogar noch besser gefallen, als im letzten Jahr. Der Kontakt mit den Kollegen war viel stärker, die Aufgaben waren vielfältiger und auch sonst war mehr Bewegung. Auch deshalb ist es umso trauriger, dass dieses Verteilzentrum bald geschlossen werden soll. Wann dies genau sein wird und wie es für die Stammbelegschaft weitergehen wird, ist allerdings noch nicht abschließend festgelegt. Merklich war für mich nur, dass sowohl der Brief- als auch der Paketverkehr abnahmen. Da auch bereits ein Zwischenlager geschlossen wurde, mussten wir teilweise auf die eintreffenden Flugzeuge warten und konnten erst dann weiterarbeiten. Glücklicherweise ist die Kantine aber noch nicht geschlossen worden und ich konnte die ausgezeichneten Mahlzeiten jeden Tag genießen. Auch diese Facette wird mir von meinen Aufenthalten hier in guter Erinnerung bleiben. Allen Unentschlossenen möchte ich unbedingt empfehlen, die Möglichkeit der Ferienarbeit wahrzunehmen.
Erwin Hilbrich