Da es mir im letzten Jahr so gut gefallen hatte, bin ich dieses Jahr wieder für drei Wochen als „factrice piétonne“ nach Paris gegangen – und ich habe die Entscheidung nicht bereut.
Die Anreise verlief unkompliziert, ich bin mit dem Thalys bis Gare du Nord gefahren, und wurde beim Wohnheim sehr herzlich von Nycolle, einer Jumeleurin, in Empfang genommen.
Mein Zimmer war genau wie letztes Jahr: schlicht, aber immerhin mit Kühlschrank, Waschbecken und WLAN, und für den Preis in Paris einfach unschlagbar!
Am nächsten Morgen war dann frühes Aufstehen angesagt, da ich um 6:30 in der Poststelle sein sollte und noch ca. 25 Minuten mit der Métro fahren musste. Am Arbeitsplatz angekommen wurde ich aber erneut voller Elan und sehr freundlich empfangen, man unterwies mich in sicherheitsrelevanten Regeln und mein immer fröhlicher Chef Dominique teilte mich dem neuen Viertel zu, in dem ich die nächsten 3 Wochen arbeiten würde.
Am ersten Tag begleitete ich einen der anderen Briefträger bei seiner Route und lernte somit die Gebäude, Briefkästen und die Handhabung des „courrier“ im Allgemeinen kennen, dann durfte ich mich sogleich auch alleine auf den Weg machen. Das war anfangs natürlich schwer und sehr anstrengend, da ich genau zur rentrée-Zeit angekommen war und ich mit all meinen Depot-Säcken vermutlich bis Nachmittags gearbeitet hätte. Glücklicherweise waren meine Kollegen wahnsinnig nett und bemüht und haben mich bei meiner Route unterstützt, sodass ich die anfänglichen Berge an Post gut bewältigt bekommen habe.
Der Tagesablauf sah etwa so aus, dass ich ab 6:30 mit den anderen die angelieferten Briefe+ kleinen Päckchen nach Straßen und Hausnummern in Fächer einsortierte und kontrollierte, ob réexpeditions (Nachsendeaufträge) dabei waren, welche dann mit Etiketten versehen an die neue Adresse geschickt werden mussten. War diese Arbeit getan, sortierte ich alles je nach Route in meinen Caddy ein, holte meine „lettres recommandées“ (Einschreiben) ab, die man immer bei sich tragen und unterschreiben lassen musste, und machte mich auf den Weg.
Mein Viertel im 5. Arrondissement war nebenbei gesagt so ziemlich das schönste in Paris (fand ich zumindest ), weshalb es jeden Morgen eine Freude war, durch die lange Rue Mouffetard mit ihren vielen kleinen Geschäften zu meinen Straßen zu laufen. Ich hatte einen Schlüssel und ein „badge“ erhalten, um in die Häuser mit den Briefkästen zu gelangen, und so verteilte ich meine Post, ließ Briefe unterschreiben und plauderte manchmal kurz mit den Restaurantbesitzern oder Anwälten, denen ich die Post persönlich brachte.
Ohnehin muss ich sagen, dass die Menschen in Paris immer unheimlich freundlich und höflich waren, weshalb ich öfter mal ein „bonjour mademoiselle la factrice“ zu hören bekam und mir das „au revoir, bonne journée“ bald wie von selbst von den Lippen ging
Gemeinsam mit mir waren außerdem zwei andere deutsche Mädchen, Fanny und Carina, im selben Wohnheim untergebracht, was nicht nur die Arbeit, sondern auch die Nachmittage wesentlich abwechslungsreicher gestaltet hat, da wir eine Menge gemeinsam unternehmen konnten.
So haben wir neben den typischen Touristenattraktionen wie Tour Eiffel, Arc de Triomphe, Notre Dame, Cimetière du Père Lachaise... (die Liste ist endlos!) beispielsweise auch das Château den Fontainebleau besichtigt und sind am „journée européenne du Patrimoine“ im Hôtel de Ville gewesen! Es war toll, so viel Zeit für die Erkundung der Stadt zu haben und nicht wie die vielen Touristen von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten zu hetzen – und irgendwie habe ich mich auch gar nicht wie eine Touristin gefühlt!
Meine Postkollegen waren wie bereits erwähnt unheimlich freundlich und bemüht, wann immer ich Fragen hatte, konnte ich zu ihnen kommen, und gescherzt wurde auch jede Menge!! Es war toll, jeden Tag Französisch sprechen zu können und Einblicke in das typische Pariser Leben zu bekommen!
Mit den Leuten der jumelages hatte ich in Paris selbst dann kaum noch Kontakt, was aber auch nicht schlimm war, da man sich in dieser Stadt eigentlich gar nicht langweilen kann!
Am Ende meiner Paris-Zeit war ich wirklich richtig traurig, wieder zu fahren! Weil ich mich so gut mit den deutschen Mädels verstanden hatte, weil meine Kollegen so herzlich und witzig waren (wir haben aber Nummern und Adressen ausgetauscht :)), weil ich die französische Sprache einfach über alles liebe und weil mich diese wundervolle Stadt mal wieder voll und ganz in ihren Bann geschlagen hatte!
Ich hätte es selbst nicht erwartet – aber auch nach dem zweiten Mal bin ich mir sicher: Paris und ich, wir werden uns wieder sehen... :)
Methner