2021: Oscar in Wrocław
OSCAR 2021 fand in der Zeit vom 28. Juni bis 2. Juli 2021 in Wrocław (früher: Breslau) in Niederschlesien/Polen statt. Wie jedes Mitglied der Eurojumelages weiß, ist OSCAR eine Veranstaltung, bei der sich sportbegeisterte Jumeleur*innen mehrerer nationaler Verbände der Eurojumelages treffen, um gemeinsam Fahrrad zu fahren, zu wandern und die Freundschaft zwischen Menschen verschiedener europäischer Länder zu vertiefen. Nachdem OSCAR 2020 wegen der Corona-Pandemie ausfallen musste, trafen sich in Wrocław weit weniger Teilnehmer als üblich: nur 6 aus Deutschland, 19 aus Frankreich und 17 aus Polen.
Hohe Corona-Inzidenzen in Deutschland und Polen, das Auswärtige Amt in Deutschland hatte empfohlen, auf touristische Reisen nach Polen zu verzichten.
Andererseits: Ein OSCAR ohne Darmstädter geht gar nicht, denn schließlich wurde der 1. OSCAR im Jahre 1998 mit Unterstützung der Darmstädter Jumeleure aus der Taufe gehoben. Also entschloss ich mich, am OSCAR 2021 teilzunehmen. Nach langer Zugfahrt kam ich am Montag, dem 28. Juni, auf dem Hauptbahnhof in Wrocław an. Der Bahnhof mit Türmchen und Zinnen, in den Jahren 1855-1857 erbaut, sieht aus wie im Märchen. Von dort waren es nur wenige Schritte bis zum Hotel „Piast“, in dem die OSCAR-Teilnehmenden untergebracht waren. Nachdem ich mein Zimmer bezogen hatte, begab ich mich in den 6. Stock, wo sich der Speisesaal befand. Dort wurde ich von Adam und Tomasz begrüßt und erhielt das übliche T-Shirt mit dem Aufdruck „OSCAR 2021 Wrocław“. Der Speisesaal war schon gut besucht. Schließlich fand ich Platz an einem Tisch mit drei Franzosen, bevor das Abendessen serviert wurde. Nach dem Abendessen wechselten wir in einen Versammlungsraum, wo die Organisatoren wichtige Informationen über den Ablauf des OSCAR gaben. Plötzlich flimmerte ein Bild auf der Leinwand: Der Vorsitzende der Eurojumelages, Peter Backes, wünschte den Teilnehmenden in einer Internetverbindung viel Erfolg und viel Spaß.
Am Dienstag hatten wir OSCAR-Teilnehmenden die Gelegenheit, die Stadt Wrocław kennenzulernen. Sie ist mit mehr als 650 Tausend Einwohnern die drittgrößte Stadt Polens. Vier Nebenflüsse der Oder fließen durch das Stadtgebiet sowie zahlreiche Kanäle. Die Stadt liegt auf zwölf Inseln, die durch mehr als 100 Brücken und Stege verbunden sind. Im Jahre 2016 war Wrocław die Kulturhauptstadt Europas. Ein Reisebus brachte uns zuerst zum Postmuseum. Dort waren vor allem die polnische Postgeschichte sowie zahlreiche Telefonapparate, Radios und Fernsehgeräte ausgestellt, die mich an meine Jugend erinnerten. Unser nächstes Ziel war der Botanische Garten der Universität Breslau. Zu sehen waren ein Teich mit Wasserfall und Seerosen, Palmen, zahlreiche Freilandzierpflanzen und Skulpturen. Das Mittagessen nahmen wir im Park ein. Danach übernahmen uns drei Stadtführer, die in Deutsch, Französisch und Polnisch durch die Stadt führten. Vom Botanischen Garten war es nicht weit bis zur Dominsel. Der Dom aus dem 13. Jahrhundert wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und erst 1951 wieder aufgebaut. Bei Sonnenschein und Temperaturen über 30 Grad besuchten wir den Ring und Salzring mit alten Patrizierhäusern, schlenderten am Rathaus und dem ehemaligen Stadtschloss der preußischen Könige vorbei und gelangten schließlich zur Schweidnitzer Straße, der elegantesten Straße der Stadt mit Kaufhäusern, Theatern und Kirchen. Unterwegs kamen wir immer wieder an Zwergengestalten vorbei. Die ersten entstanden in den 1980er Jahren, als die „Orange Alternative“ die Zwerge als Widerstandssymbol gegen das kommunistische System einsetzte. Müde erreichten wir unser Hotel. Wir hatten aber nicht viel Zeit, uns auszuruhen. Nach dem Abendessen stand ein Besuch des abendlichen Breslau auf dem Programm. Wir fuhren mit der Straßenbahn zur Jahrhunderthalle, die 1913 erbaut und 2016 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen wurde. Hinter der Jahrhunderthalle befindet sich der größte polnische Springbrunnen. Zu jeder vollen Stunde fanden Wasserspiele aus zahlreichen Wasserdüsen zu klassischer und moderner Musik statt. Es war schon spät, als wir endlich ins Bett kamen.
Für Mittwoch, den 30. Juni, hatte die Wettervorhersage Gewitter und starken Regen vorausgesagt. Zum Glück blieb das Wetter aber trocken mit einem bisschen Sonnenschein. Nach dem Frühstück wartete ein Reisebus auf uns OSCAR-Teilnehmenden, um uns in die Nähe der Stadt Sobótka (Zobten am Berge) zu bringen.
Bevor wir Wanderer unseren Startpunkt erreicht hatten, stiegen die Radfahrer aus dem Bus aus: drei Personen, je eine aus Deutschland, Frankreich und Polen. Ihre Fahrräder wurden wenig später von einem Pkw mit Anhänger gebracht. Nur wenige Meter nach dem Start musste die kleine Gruppe schon wieder anhalten: Dem langjährigen OSCAR-Teilnehmer Herbert war die Kette an seinem Fahrrad gerissen. Glücklicherweise besaß Rafał, der Führer der Radgruppe, das notwendige Werkzeug und Geschick, die Kette innerhalb einer Stunde zu reparieren. Die Fahrradkette hielt auch, als mehrere steile Anstiege zu bewältigen waren.
Die Wanderer stiegen auf dem Parkplatz Przełęçz Tapadła aus und wanderten in zwei Gruppen im Naturreservat Góra Ślęża. Die stärkere Gruppe wurde von Adam, die weniger starke Gruppe von Tomasz geführt. Eine Weile gingen die beiden Gruppen auf dem selben Weg, auf dem Geröll und kleine Steine lagen. Dann zeigte Adam auf einen steilen Weg: „Hier müssen wir rauf“. Zwischen Granitsteinen ging es bergauf. Gut dass ich meine Wanderstöcke dabei hatte, denn nach dem steilen Aufstieg führte der Weg auch steil bergab. Über Steine und Unterholz suchte jeder seinen eigenen Weg. Nach einem Aufstieg von insgesamt mehr als 400 Metern erreichten wir den Berg „Ślęża“ (718 m), auf dem ein Aussichtsturm steht. Wenige Meter weiter unten erreichten wir ein Plateau mit der Kapelle „Mariä Heimsuchung“, einem Sendemast und einer Bergbaude. Hier trafen wir die Wandergruppe 2. Auf getrennten Wegen stiegen die beiden Gruppen bergab zur Stadt Sobótka, wo wir – gemeinsam mit der Gruppe der Fahrradfahrer - im Hotel Sobotel ein Mittagessen einnahmen. Danach stiegen wir in unseren Reisebus, der uns nach Wrocław zurückbrachte.
Nach dem Abendessen fuhren wir mit der Straßenbahn bis zur Markthalle. Von dort war es nicht weit bis zur Sandinsel, wo wir auf ein Ausflugsschiff stiegen und eine einstündige Rundfahrt auf der Oder unternahmen. Der anschließende Spaziergang auf der Dominsel zeigte uns, dass dort die Zeit in mancher Hinsicht stehen geblieben ist: Ihre Gassen werden immer noch von Gaslaternen beleuchtet, die von einem Nachtwächter mit einer langen Stange angezündet werden. Von dort gingen wir zu unserem Hotel zurück.
Auch am Donnerstag, dem 1. Juli, hatten die OSCAR 2021-Teilnehmenden ein volles Programm. Nach dem Frühstück brachte uns ein Reisebus nach Krośnice, wo uns die kleine Gruppe der Fahrradfahrer verließ. Ihr Führer hatte eine Tour auf früheren Bahngleisen und vorbei an Fischteichen ausgesucht. Die Wanderer unternahmen eine zweistündige Wanderung, um rechtzeitig zum Mittagessen zurück zu sein. Die Gruppe 1 wanderte auf einem Rundweg (rund 6 km) zwischen Fischteichen im Naturreservat Dolina Baryczy. Die Gruppe 2 wanderte etwa 5 km durch Wald und Flur und erhielt von Tomasz ein „kleines Medikament“ – guten Wodka. Unser Rückweg führte uns nach Wierzchowice, wo wir ein kleines Mittagessen einnahmen. Der Wanderführer der Gruppe 1 hat dabei gezeigt, dass er auch Musiker ist: Während des Mittagessens unterhielt er uns mit einer Leier und seinem Gesang. Nach dem Essen besuchten wir noch das Museum „Bombek“ in Milicz. Dort sind in der Produktionshalle einer ehemaligen Fabrik rund 6000 Weihnachtskugeln in verschiedenen Formen und Farben ausgestellt. Danach fuhren wir in unser Hotel zurück, um uns für die Abendveranstaltung frisch zu machen.
Die Schlussveranstaltung des OSCAR 2021 fand im Hotel „Europejski“ in Wrocław statt. Für das Abendessen war ein langer Tisch aufgestellt worden, an dem alle OSCAR-Teilnehmenden Platz fanden. Angeboten wurde ein reichhaltiges Büfett und ein Rotwein aus Gorzów Wielkopolski, Edition „OSCAR 2020“ (der ja Corona-bedingt ausfallen musste). Nach dem Essen fand die „Siegerehrung“ statt. Die Organisatoren und Teilnehmenden des OSCAR 21 beschlossen, dass alle Teilnehmenden die Sieger seien. Deshalb wurden keine Pokale überreicht. Stattdessen erhielt jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer eine Teilnahmebestätigung, was jeweils in einem Foto dokumentiert wurde.
Am Freitag, dem 2. Juli, nach dem Frühstück, hieß es, für mich, Abschied zu nehmen. Wer noch Zeit und Lust hatte, konnte an einem gemeinsamen Besuch des Hydropolis in Wrocław teilnehmen. Es handelt sich dabei um ein interaktives Zentrum für ökologische Bildung, in dem Wissenswertes rund ums Wasser vermittelt wird.
OSCAR 2021 in Wrocław war eine rundum gelungene Veranstaltung – hervorragend organisiert von unseren Freundinnen und Freunden aus Gorzów! Die Teilnehmenden werden mit Sicherheit noch lange Zeit gerne daran zurückdenken.
Meinhard Dausin
Sektion Darmstadt
Deutschland